Ardenner-Höhenflug der Bergkrähen
Bericht über eine sonntägliche Ardennentour mit unerwarteten Höhen.
Sonntag früh, 8:30 Uhr. Auf dem Vennbahnweg hinter der Bahnhofsvision treffen sich die Krähen zu einer “lockeren und flachen Ausfahrt”. Nur Lenor-Emil, bekannt für seine Vor-Ahnungen, kommt nicht. Wie es wirklich war kann im folgenden nachgelesen werden.
Mit 15 Minuten Verspätung sitzen wir auf und starten. Die Strassen sind noch nass, aber am Himmel scheint hin und wieder die Sonne durch und lässt auf einen trockenen Tag hoffen. Locker und flach kommen wir bis Raeren. Hier stoppt uns eine Reifenpanne daran warm zu werden. Nach einer größeren Flickaktion – Schlauch rein, Schlauch raus, pumpen, noch mal pumpen, Schlauch wieder raus usw. – kann es dann endlich weiter gehen.
Locker weiter. An Eupen vorbei, nach Dolhain, durchs Wesertal nach Verviers. Die 6 Fahrer starke Gruppe kommt jetzt in Schwung. Locker mit Tempo 40 werden andere Radler im Wesertal aufgesammelt. Die Gruppe wird größer.
Wusch – ah ja – das war Pepinster, noch geht’s locker und vor allem flach weiter. Bei Nessonvaux muss ich die Gruppe dann etwas abbremsen damit wir die Kurve nach links kriegen um in den ersten Berg der Tour zu kommen. Rund 4 km geht es bergauf nach Tancrémont. Noch sind alle frisch, die Steigungsprozente werden locker weggetreten. Weiter hoch bis Banneux, Louveigne, und wieder ins Tal nach Remouchamps. Der Schnitt liegt irgendwo bei locker 30, aber jetzt geht es ja wieder flach weiter, durch das Tal der Amblève.
Nach etwa 10 km biegen wir rechts ab nach Lorcé. Ein Stück weiter taucht rechts die Côte de Lorcé auf, bekannt aus LBL, aber links geht es auch hoch. Die kleine Strasse führt zuerst durch Wald und später durch Wiesen auf die Höhen der Ardennen. Jetzt bleibt schon etwas mehr Zeit die Bauernhöfe, zum Beispiel von La Neuville zu betrachten, oder den Blick über die Täler schweifen zu lassen. Hinter mir höre ich etwas von kleiner werdenden Bäumen, Schneegrenze und dünner werdender Luft! Ist hier wirklich schon Sauerstoffmangel oder…
An Chevron vorbei zur N 66 und in rasender Fahrt zurück ins Tal. Wir fahren weiter – noch immer locker und schon wieder flach – durch das Lienne-Tal. Die Straße ist gut und es ist immer wieder schön entlang der Lienne zu fahren.
Bei Bra biegen wir links ab und die Landschaft verschwimmt bald wieder in den herunterrinnenden Schweißtropfen. Die N651 führt über Les Villettes nach oben und bei Erria liegen die Ardennen wieder unter uns. Dann in einer langen Abfahrt mit einem sehr schlechten Straßenbelag nach Basse-Bodeux hinunter. Die Gruppe läuft noch immer gut, das Wetter hält, die Tour “locker und flach”, die Laune gut.
Über die N66 gelangen wir nach Trois Pont. Hier füllen wir die Flaschen auf und stärken uns bevor wir weiter rollen, vorbei an der Amblève – schon wieder flach – nach Coo.
Zugegeben, der Ruf “Hier rechts ab” kam sehr kurzfristig. Genauso wie die Steigung nach dem Abbiegen. Le Thier de Coo, selbst die LBL-Renner dürfen hier vorbei fahren. Aber nicht die Krähen. Vorbei war es mit locker und noch mehr vorbei war es mit flach. Die kleine Straße aus dem Amblèvetal nach Ster führt sofort steil hoch. Wenn dann die Beine fast dahinschmelzen und man hinter der kleinen Kurve im Wald das Ende erhofft, kommt der Hammer in Form einer noch steileren Steigung. 18, 19 oder gar mehr Prozent, egal wie viel, hier wird das letzte gefordert um das Rad ans rückwärts Rollen zu hindern.
Neeein, ahh, ohhh. Fremdartige Rufe schallen durch den Wald. Ich sehe zu das ich mich etwas entferne bevor jemand mit dem letzten im Blut verfügbaren Sauerstoff die Gedanken auf den Streckenplaner konzentriert.
Nicht mehr ganz so steil aber sicher noch immer mit 5 bis 6 Prozent Steigung zieht die Straße weiter in den Berg hinein, bis bei Parfondruy die Erlösung kommt. Flach, gar abfallend führt die Strecke weiter, der Blick schweift über das Tal und Stavelot. Am Ende der Straße lassen rot-weiße Barrieren den nächsten Kick erahnen: La Haute Levée. Mit 13 Prozent Gefälle eine gefährliche Abfahrt, für die Automobilen, deshalb die Barrieren. Welch ein Glück das wir hoch fahren dürfen.
Weiter in Richtung Francorchamps, aber schon bald von der N622 links ab in eine kleine unscheinbare Waldstraße, durch enge Serpentinen bis zum Örtchen Neuville und hier links auf die lange, abschüssige Straße hinunter durch das Tal der Roannai. Schnell ist das Örtchen Ruy erreicht, hier beginnt eine andere Bekannte aus dem LBL-Rennen: La Rosier.
Über 4 km zieht die kleine Waldstrecke von rund 300 auf 560 m hoch. Das macht im Schnitt 6,5 Prozent. Leider setzt jetzt ein leichter Regen ein, der den Genuss der Steigung etwas mindert. Oben auf der Kuppe ziehen 5 Radler mit glücklichen Gesichtern an mir vorbei. Oder sind sie nur entstellt.
Die nasse Straße lässt die Abfahrt nach Spa gefährlich werden. Wir drosseln das Tempo und rollen langsam aber immer noch „locker“ um die Kurven. In Spa tanzt der Bär in Form eines Oldtimer-Treffens. Wir kämpfen uns durch die abgesperrten Straßen und Zuschauer zum Ortsausgang und in die Steigung nach Balmoral. Der Regen hat aufgehört, die Strassen werden trocken und der Berg ist gar nicht so steil, lässt sich mit ruhigem Tempo “locker” fahren. Weiter nach Tiège und noch einmal ins Tal.
Die Hogne hat hier einen tiefen Schnitt in der Landschaft hinterlassen und die Straßenbauer eine 10-prozentige Steigung nach Surister. Noch einmal alle Kräfte konzentriert und schwups – locker rüber.
Jalhay, Gileppe, Eupen. Heimatliche Namen erhellen die Gesichter. Kornelimünster, Bahnhofsvision, Bier, Suppe, Badewanne. Die Gedanken kreisen wie die Pedale und die letzten lockeren und flachen Kilometer verschwinden unter den Pneus.
Das erste Bier verdampft in den Kehlen, die Kartoffelsuppe von Vereinskoch Udo wird freundlich aufgenommen. Drei Zahlen beschreiben eine lockere, aber flache Runde der Krähen Christian, Gerd, Heb, Janosch, Klaus, Thorsten: 170 km – 6:04 Stunden – 2950 Höhenmeter.
Also, dann bis kommenden Sonntag.